ML 03/12 – „MittenDrin ist mitten drin „

Politisch und links engagiert, sind sie konsequent gegen Rechts
In wenigen Wochen wird das Jugendwohnprojekt MittenDrin e.V. mit dem Julius-Rumpf-Preis 2012 ausgezeichnet. Gegen Ende vorigen Jahres wurde diese Gruppe junger Leute unter etlichen Anwärtern ausgewählt und ist Preisträger geworden. Die Martin-Niemöller-Stiftung ehrt damit Persönlichkeiten oder Gruppen, die für Toleranz, gewaltfreie Konfliktlösungen, gegen rassistisches und menschenfeindliches Gedankengut entschieden auftreten und sich hier tatkräftig und lange Zeit bewähren.

Die jungen Leute von MittenDrin, die in ihrer Mehrheit sich durchaus politisch engagieren, gehören nun schon seit 1993 zum gesellschaftlichen Alltag in Neuruppin. Manch einer in der Stadt reagierte (und reagiert) ob ihrer Art und ihrem Auftreten belustigt, manch einer rümpfte (und rümpft) die Nase, mancher staunte über mannigfaltige, deutliche Transparente am Haus oder über die rote Fahne, die tagelang aufreizend am Schornstein flatterte. Aber da das Haus unter denkmalsschützerischer Obhut steht, hat die Stadtverwaltung das nicht lange geduldet. Fürs Äußere des Hauses können sie übrigens wenig, mehrfach wurden die Mittel für die Sanierung gestrichen und raus sollten sie auch schon, aber es fand sich kein anderes Objekt. Einige Mitglieder vom MittenDrin haben hier ihre ständige Bleibe, 20-30 versammeln sich hier öfter. Zugegeben, im und um das Haus ist’s für den älteren, gesetzten Bürger auch ein bisschen »klamaukig« und nicht unbedingt superordentlich, einschließlich der Uraltmöbel. Die Frage ist, macht’s das?

 

Wie dem auch sei: wenden wir uns mal dem zu, was sie wirklich tun. Sie arbeiten oder sind Schüler bzw. Gymnasiasten oder Azubis, auch Studenten sind dabei. Bekannt ist ihr konsequentes Eintreten gegen rechtes Gedankengut und gegen das Auftreten der Rechten in den letzten Monaten. »Neuruppin bleibt bunt« ist für sie kein leeres Wort, sie haben hier – auch im Neuruppiner Aktionsbündnis, wo sie von Felix B. vertreten werden, – kräftig mit organisiert, haben sich deutlich und lautstark zu Wort gemeldet, haben die Blockaden mitgemacht – und schließlich die Rechten mit vertrieben. Zum Leben im Jugendwohnprojekt gehören regelmäßige politische Vorträge und Diskussionen zu aktuellen Fragen. Sie vergessen auch nicht den Bürger Emil Wendtland, der am 1. Juli 1992 von Nazis in Neuruppin erstochen wurde und an den sie mit einer Gedenkdemo erinnern wollen. Sie haben außerdem der Stadtverordnetenversammlung vorgeschlagen, eine Straße in Neuruppin nach ihm zu benennen.

 

Und noch eine ganz besondere Sache:
Das dritte Jahr schon organisieren sie das Antifa-Workcamp in der Gedenkstätte des ehemaligen Frauen-KZ Ravensbrück. Mit 35 Teilnehmern haben sie angefangen, 2011 waren es schon 50, in diesem Sommer werden es sicher genauso viel. Und diese Camps bedeuten für die jungen Leute neben dem gemeinsamen Erlebnis, den politischen Diskussionen, Lesungen, Begegnungen (z.B. mit Überlebenden der KZs) auch harte Arbeit: So wurde der Weg, den die Frauen ins angrenzende Siemens-Lager zur Arbeit, die eine Schinderei für sie war, gehen mussten, freigelegt. Sie arbeiteten an den Bahngleisen, auf denen das Material angeliefert wurde, sie legten die Grundplatten in den Montagehallen frei und vieles mehr. Auch damit helfen sie, das Gedenken an die Tausende Opfer des Frauen-KZ Ravensbrück zu bewahren.

 

Sie brauchen übrigens für das diesjährige Workcamp in Ravensbrück noch dringend finanzielle Unterstützung. Auch dort sind Unterbringung, Plakate und Flyers über ihre Vorhaben, Honorare für Referenten usw., die Fahrradtour zur Vorbereitung nicht für umsonst zu haben, und so sind sie für Spenden sehr dankbar.

 

Sie sind jung und mögen Fröhlichkeit und Tanz. Ihre Konzerte alle 2 Wochen mit verschiedenen Bands aus verschiedenen Ländern verstehen sie als einen Beitrag zur Jugendkultur. 80 – 90 Teilnehmer sind keine Seltenheit. Ein Höhepunkt war z.B. Silvester, wo sie alle sogar auf der Strasse getanzt haben, und so manche Leute aus der Nachbarschaft haben ausgelassen mitgemacht. Für 2012 planen sie ein Straßenfest. Überhaupt möchten sie noch mehr ein bisschen »soziales Zentrum« in ihrem Wohngebiet werden. Für manche Bewohner des Asylbewerberheims sind sie das schon – sie helfen bei Fragen mit Behörden, Besucher aus dem Treskower Heim können ihr Internet mit nutzen und sind gern gesehen. Und was das »Praktische« anbetrifft: seit 10 Jahren gibt’s die Fahrradwerkstatt im MittenDrin, sie haben eine Holzwerkstatt, ein Tonstudio ist im Werden.

 

Angesichts solcher Aktivitäten fragt man sich, woher nahm eigentlich 2011 der Brandenburger Verfassungsschutz die Anmaßung, diesen jungen Leuten schlimmsten Extremismus vorzuwerfen und sie gewissermaßen auf eine »schwarze Liste« zu setzen?? Mit eigenen energischen und fundierten Protesten und mit Unterstützung zahlreicher gesellschaftlicher Institutionen, linken Abgeordneten, Parteien, Persönlichkeiten war die MittenDrin-Jugend erfolgreich und hat die Streichung dieses Passus im Verfassungsschutzbericht erreicht.
Das alles und noch mehr vom Jugendwohnprojekt wissen wir auch von Oliver L. Er ist seit 6 Jahren dabei. Jeden Dienstagabend um 19 Uhr tagt im Haus das »Plenum«. Hier werden Themenvorschläge vorgebracht und diskutiert, nicht wenig und vor allem vielseitig, und natürlich wird die Organisierung gemeinsam und konkret besprochen. 10 – 30 kommen oft zu diesem Plenum – was seit nunmehr 19 Jahren sozusagen ein heiliger Termin ist. Da soll noch einer sagen, hier werde keine Demokratie praktiziert! So kluge, engagierte junge Leute mit Verstand und Initiative wie Oliver L. gibt’s im MittenDrin etliche. Manche ein bisschen »verrückt« und aufmüpfig und mit anderen Ansichten und anderen Gewohnheiten und mancher hat auch noch Mühe, miteinander »klarzukommen« – aber sie wissen offensichtlich in der Gruppe, was sie wollen. Und sie packen’s an!

Von Christa Horstmann, abgedruckt in der „Märkischen LINKEN 03/12“

 

 

 

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