Ghana – ein Exkurs und Erfahrungsbericht

Seit gut 7 Monaten lebe ich jetzt in Ghana, weitere 4 werden folgen. In diesem Zeitraum haben sich so einige meiner Bilder/Vorstellungen die ich von diesem Land,von diesem Teil der Welt hatte in Luft aufgelöst und dafür beginne ich neue Probleme zu sehen von denen ich vorher nicht mal den Hauch einer Ahnung hatte.

 Ghana hat am 6. März 1957 seine Unabhängigkeit von Großbritannien erklärt. Die Galionsfigur der Unabhängigkeitsbewegung war Kwame Nkrumah der nach dem er in London studiert hatte zurück nach Ghana kam. Nkrumah wollte einen sozialistischen Staat aufbauen und aus der gesamten Region eine Art „Vereinigte Staaten von Afrika“ schaffen. Das hat alles nicht so wirklich funktioniert und nach dem er dann mehr Diktator als irgend etwas anderes war, letztendlich vom Militär weg geputscht (was aber sein Ansehen in keinster weise geschadet hat – er wird hier nach wie vor als Staatengründer vergöttert). Diesem ersten Militärputsch folgten viele weitere und so wirklich zu einer halbwegs politischen stabilen Lage kam es erst um die Jahrtausendwende als die ersten wirklich freien Wahlen abgehalten wurden.

Soviel zur Geschichte. Das Erste was mir auffiel – von einem politischen Aspekt aus betrachtet – ist, dass all das, was ich so aus Deutschland oder Europa an politischen Ashanti SymbolFraktionen gewöhnt bin hier nicht existiert. Es ist sehr verwirrend wenn es auf einmal keine Linken, Konservativen, Liberalen mehr gibt sondern alles wild gemischt ist. Es ist nicht so das es keine linken Ideen gibt, aber jemand der hier zum Beispiel für eine Verstaatlichung der Ölförderung und Mindestlohn ist, kann gleichzeitig auch tief religiös, nationalistisch und auch sonst so stock konservativ sein (und hat nicht selten Rastas und einen dicken Joint zwischen den Lippen). Man stelle sich jemanden von der Jungen Union vor der Vegetarier ist, für die Legalisierung von Marihuana, Großfirmen am liebsten verstaatlichen würde aber eben gleichzeitig auch für den ganzen Schrott von der CDU ist und zwar mit der selben Überzeugung.

Ein ghanaischer Kollege von mir, mit dem ich sehr spannende Gespräche zu Demokratie, Globalisierung usw. geführt habe und immer noch führe, ist Zeuge Jehovas hält Homosexualität für eine Krankheit und Sünde (wie leider sehr viele Ghanaen dank der christlichen Kirchen) und hält Evolution für Teufelszeug. In der ghanaischen Verfassung ist die Religionsfreiheit festgeschrieben und ich finde es immer wieder aufs Neue beeindruckend, dass es trotz der unglaublichen vielen verschiedenen Krichen/Sekten/Religionen die alle mehr oder weniger dogmatisch und fanatisch sind (na man kennt das ja) es nicht zu größeren Clashes kommt, wie man das zum Beispiel momentan in Nigeria sieht.

Ghana ist eines der friedlichsten Länder die ich kenne, das Militär besteht aus etwa ein bis zweitausend Soldaten, die Ausgaben für Infrastruktur und vor allen Bildung im Staatshaushalt sind um ein vielfaches höher als die Militärausgaben. Auf der anderen Seite ist zur Polizei oder zum Militär zu gehen ein Traum vieler Ghanaen und so wird überall marschiert und exerziert, in Schulen, bei all möglich festlichen Anlässen, in den Universitäten usw. Das alles immer mit einer Portion gesundem menschlichem Chaos. Solche scheinbaren Widersprüche laufen einem hier ständig über den Weg und ich habe aufgehört mich darüber zu wundern. Es gibt noch soviel zu sagen, soviel zu beschreiben aber ich möchte hier nicht den Rahmen sprengen.

 Was ich möchte ist das klar wird, dass die Bilder die durch westlichen Medien und „Withe Chariety“-Aktionen von Central Afrika gezeichnet werden mehr als unvollständig, wenn nicht sogar verfälscht werden, wenn die Realität gerade mal nicht ins stereotype Bild passt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Kony 2012 Kampange von Invisible Children.

In dem Sinne hinterfragt Stereotype, seid tolerant gegenüber anderen Kulturen und das Wichtigste: redet mit den Leuten deren Probleme ihr lösen wollt. Eine Entwicklungspolitik die auf Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis und Respekt anstatt auf Bevormundung (Onkel Tom weiß schon was gut für euch ist) setzen würde, wäre schon ein sehr großer Fortschritt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert